Bei Bauanträgen für LED Videowalls geht nahezu automatisch die Schublade mit der Aufschrift „Timesquare“ auf, und der Fall ist politisch oft erledigt. Wobei deutlich gesagt werden muss, dass Begründungen wie „passt nicht in unser Stadtbild“ oder „bringt zu viel Unruhe in den öffentlichen Raum“ natürlich für eine Ablehnung nicht ausreichen. Die Kommune muss schon die Ablehnung auf der Basis geltender Gesetze oder kommunaler Verordnungen begründen.
Häufig werden hier leider Hardware (die Videowall) und der Content (das was gezeigt wird) in einen Topf geschmissen. Dabei ist an anderer Stelle jedem klar, dass der Lieferant des Fernsehers nicht Schuld ist an einem schlechten Programm der Sendeanstalten. Ebenso ist der Hersteller eines PCs nicht verantwortlich für dessen unangebrachte Nutzung im Internet.
In gleicher Weise muss man auch die Genehmigung einer Videowall differenziert betrachten und sich mehr Gedanken als bisher über deren Nutzung abseits der Malboro- und Cola- Connection machen. Mit etwas Phantasie kann die Videowall auch der neue, moderne Treffpunkt eines Platzes werden, quasi der digitale Dorfbrunnen.
Der echte Dorfbrunnen hatte seinerzeit 2 Aufgaben. Eine rein funktionale Aufgabe, nämlich die Bevölkerung mit frischem Wasser zu versorgen und eine soziale Aufgabe. Er war der Treffpunkt, um soziale Kontakte zu pflegen, das Neuste aus dem Ort zu erfahren und auch die Verhaltensregeln des Dorfes festzulegen. Mit der Verlegung von Wasserleitungen entfiel die funktionale Aufgabe und damit der Grund zum Brunnen zu gehen.
Das Bedürfnis der Menschen nach sozialen Kontakten hat sich dann in der Folgezeit immer neue Dorfbrunnen geschaffen. Sehr schön kann man das in Büros beobachten. Moderne Dorfbrunnen waren das Telex, nach dessen techn. Überholung das Telefaxgerät und dann der zentrale Kopierer. Man traf sich dort, auch schon mal wenn die Kopie nicht so dringend war, einfach um andere Menschen zu treffen.
Wo sind die Dorfbrunnen von heute? Die Wasserspiele, wie sie häufig an öffentlichen Plätzen anzufinden sind, sind keine Dorfbrunnen. Sie sind schön aber nicht attraktiv (i.S. von anziehend). Wer geht nur deswegen in die Stadt?
Jetzt stellen Sie sich folgende Situation vor: In den Kaffees am Platz sitzen Menschen und schauen auf eine große, architektonisch gut integrierte Videowall, auf der Nachrichten aus dem Quarre laufen u.a. auch „Opa Müller wird 90“, einmal wöchentlich ein Schachwettbewerb oder Jugendliche, die sich bisher zuhause auf der Bettkante ihres Jugendzimmers beim Computerspiel mühsam von Level zu Level arbeiten und niemand erfährt wie toll sie sind, haben hier die Möglichkeit gegeneinander anzutreten (urban gaming). Und nicht zuletzt der Sprayer, der für 10€ einen Tag lang sein Ikon oder „Fabienne ich liebe Dich“ statt auf die nächste Hauswand zu sprühen auf der Stadt-wall sichtbar macht. Wenn das keine Gründe sind in die Stadt zu gehen, nur um zu sehen was gerade los ist.
Die Stadtverwaltungen wären u.E. gut beraten, die Chancen zu nutzen und sich mit Investoren zusammenzusetzen, um gemeinsam ein Konzept zu entwickeln, das die Innenstadt oder einzelne Quatiere modern, digital und attraktiv macht.